Zwillinge machen klar, dass man erst anfängt zu lügen, wenn man nicht mehr verbunden ist. Denn in der Verbundenheit ist man authentisch und weiss, dass der andere fühlt, was man denkt und empfindet. Deshalb sind Zwillinge oft offene Bücher und wirken auf einen sehr abgegrenzten Einling unstimmig. Bisher galt die Fähigkeit zur Abgrenzung als eines der wichtigsten Kriterien für einen gesunden Menschen. Aber was wäre, wenn Zwillinge die organische Matrix mit auf die Erde gebracht hätten und wir alle einfach miteinander verbunden wären? Ergäben Lügen und die gängige Abgrenzung dann Sinn?
Alexander Junghans habe ich bei einem Workshop kennengelernt und mit ihm schnell einen Konsens in unseren Zwillingsgesprächen festgestellt. In jeder Pause standen wir zusammen, um ähnliche Erfahrungen abzugleichen und über die Zwillingswahrnehmung zu fachsimpeln. Wie es der Zufall wollte, hatte einer der Trainer mit Zwillingen gearbeitet und gab uns folgenden Satz mit auf den Weg:
«Ihr könnt den Lichtschalter weniger vor euch selbst ausschalten!»
Oh ja, da hatte jemand ausgesprochen, was für uns normal ist. Als eineiiger Zwilling hat man nämlich einen 3D-Spiegel auf die Erde mitgebracht.
Ich bin eineiiger Zwilling und als Wir mit einem 3D-Spiegel auf die Welt gekommen. Die Twinterviews bestätigen und objektivieren meine Selbsterforschung meiner TwinPerspective.
Alex ist nicht nur eineiiger Zwilling, er hat auch Psychologie studiert und sich im Rahmen seines Studiums ein wenig mit Zwillingsforschung beschäftigt. Er war es auch, der mich auf die frühe Forschung von Dr. Barbara Klein, selbst eineiige Zwillingsschwester aus den USA, aufmerksam gemacht hat. Barbara Klein ist Erziehungsberaterin und hilft sowohl Zwillingen als auch hochbegabten Kindern. Sie ist Autorin über Zwillingsforschung.
Mit Alex spreche ich im Twinterview sehr schnell über das Thema Offenheit, warum diese bei Zwillingen vermutlich stärker ausgeprägt ist und welche Auswirkungen das hat.
Was wir von der Offenheit der Zwillinge lernen können!
1. Zwillingsschalter: Schneller Einblick in die eigene Seele.
Was mir auffällt: Unser Gespräch ist so offen und ehrlich, wie ich es noch mit wenigen Menschen erlebt habe. Wir haben den Zwillingsschalter angeknipst und erzählen uns Dinge, wie es mit anderen Menschen so schnell kaum möglich ist. Es ist, als würden wir uns schon 100 Jahre kennen. Ich merke, dass die meisten Menschen gerade hier vorsichtiger sind und den Eindruck haben, man könne ihnen nicht in die Seele schauen.
Ich spreche auch an, dass ich immer sehr irritiert war, wenn mir jemand offensichtlich ins Gesicht gelogen hat, weil das für mich keinen Sinn ergab. Ich bin immer davon ausgegangen, dass andere Menschen mich lesen können, weil ich es auch kann.
Als Zwilling weiss ich, dass wir alle offene Bücher sind. Wir lesen nicht nur im Gesicht unseres Gegenübers, sondern können auch seine Emotionen entschlüsseln, weil wir uns in ihn hineinversetzen. Deshalb sind wir schnell bereit, unser Innerstes zu offenbaren. Aber meistens ist man damit allein und es schien unpassend und gefährlich in einer Einling Welt.
Und jetzt taten wir beide das Gleiche.
Eine meiner besten Freundinnen aus dem Kindergarten hat mir einmal das Kompliment gemacht, dass sie das an uns beiden so schätzte. Wir hätten immer ganz direkt und ehrlich gesagt, was wir wirklich dachten und fühlten. Das hätte sie immer bewundert.
2. Je mehr man verbunden ist, desto sicherer fühlt man sich und desto offener und authentischer ist man.
Alex meint, dass wir als Zwillinge direkt in eine Partnerschaft hineingeboren werden und somit von Anfang an lernen, mit einem gleichwertigen Partner zu kommunizieren. Für die Kommunikation sei es wichtig, den anderen wahrzunehmen und sich in ihn hineinversetzen zu können. Es sei naheliegend, dass Zwillinge andere Menschen im Durchschnitt besser einschätzen könnten.
Aus seiner Sicht könne diese Ehrlichkeit damit zusammenhängen, dass Zwillinge nie oder anfangs nicht in die Situation kämen, sich nach aussen abgrenzen zu müssen. So würden sie ihre wahren Gefühle ausdrücken und authentisch sein. Es lohne sich für sie nicht, unehrlich zu sein oder sich zu verstecken.
Menschen seien authentisch, wenn sie in einer Beziehung zueinander stünden. Und Zwillinge seien der sichtbare Ausdruck tiefster Verbundenheit.
Für Alex ist ein Teil der Persönlichkeit angeboren und entwickelt sich nach der Geburt weiter. Dieser Teil reagiert sehr stark auf äussere Einflüsse und kritische Lebensereignisse, so dass sich die eigene Individualität aus Genen und Umwelt verändert. Als eineiiger Zwilling teilt man in der Regel die meisten Erfahrungen, was eine andere Dynamik erzeugt.
Man sagt, dass Empathie nicht immer von Vorteil ist, aber das ist wahrscheinlich eine Frage der Formulierung. Gemeint ist, dass Menschen, die sehr empathisch sind, sich weniger abgrenzen können. Aber nur weil jemand wenig fühlt und es ihm deshalb leichter fällt, sich abzugrenzen, sich also weniger in andere hineinzuversetzen, ist das noch lange keine positive Charaktereigenschaft und hat wohl eher etwas mit einem egozentrischen Defizit zu tun. Mit der Unbewusstheit und der Illusion der Trennung.
3. Man kann nicht alles haben? Distanz durch neue Partnerschaft.
Alex berichtet mir, dass seine Verbindung zu seinem Bruder ein paar Jahre weniger gut war, da sie beide eine Partner*in kennengelernt und geheiratet hätten und nun jeder eine Familie hätten. Sie hätten beide negative Gefühle bis hin zur Eifersucht gehabt.
«Das war eine schwierige Zeit», sagt Alex. «Man muss verstehen, dass die Beziehung zwischen Zwillingen nie als Ehe oder Beziehung deklariert wird, aber die Trennung fühlt sich genauso an.»
Sie waren sich einig, dass sie beide in einer Partnerschaft leben wollten, aber sie wussten nicht, wie gross der Bruch sein würde. Vor der Partnerin wäre der Bruder die Priorität im Leben gewesen, mit der neuen Situation hätte sich das schlagartig geändert. Man hätte im Grunde schon eine Partner*in dabei gehabt und müsse sich lösen, um eine neue Beziehung eingehen zu können.
Heute sei ihre Beziehung wieder gut.
Allerdings wäre ihre Beziehung jetzt von Distanz geprägt und er würde sich immer noch wünschen, mehr Zeit miteinander verbringen zu können. Die Umstände würden dies jedoch erschweren.
Alex glaubt, dass man eine Art Opfer bringen müsse, um eine Beziehung zu einem neuen «Partner*in» leben zu können. Aus seiner Sicht kann man nicht alles haben, was man will.
Auf meine Frage, ob er glaube, dass man diese Nähe ein Leben lang suche, antwortet mir Alex, dass er glaube, dass man mit der Sehnsucht nach und nach zurechtkomme, ob sie verschwinde, stehe in den Sternen. Aber die negativen Gefühle würden weniger werden.
4. Die Art der Zwillingsbeziehung: vor allem der Einfluss der Mutter
Wir sprechen noch einmal über die Zwillingsforschung und die Erkenntnis, dass wohl vor allem der Einfluss der Mutterbeziehung entscheidend für die Entwicklung der Beziehung zwischen den Kindern wäre.
Wenn z.B. die Kinder von der Mutter nicht als Individuum, sondern nur als Zwillingsgruppe wahrgenommen würden, würden sie diese Denkweise als Zwillinge übernehmen oder sich sehr stark dagegen wehren und eine eigene Identität suchen, indem sie z.B. immer anders sein wollen als der Zwilling und sich gegen die Identifikation wehren. Das eigene natürliche Verhalten würde sich verändern.
Alex erwähnt in diesem Zusammenhang den für eineiige Zwillinge so typischen Farbcode.
«Die Farbe Blau gehörte meinem Bruder, ich bekam immer die anderen Farben. Grün, Rot oder Schwarz.»
Das Schlimme sei gewesen, dass man immer die gleichen Klamotten zum Anziehen bekommen habe, was zwar niedlich sei, aber für die Individualisierung und Entwicklung als Zwilling aus seiner Sicht nicht förderlich sei und den Prozess verlangsame.
Um seine Individualität zu unterstreichen, könnte man anfangen, andere Farben zu mögen.
Ich finde das sehr lustig und beeindruckend. Denn lange Zeit war meine Schwester auch blau und ich rot.
5. Wettbewerb: Gegenseitiger Ansporn ist der beste Weg zur eigenen Persönlichkeit
Die Zwillingsforschung von Dr. Barbara Klein hat gezeigt, dass die Förderung des Wettbewerbs zwischen den Kindern der beste Weg ist, damit beide zu einer eigenen, selbstbewussten Persönlichkeit heranwachsen. Damit ist nicht der trennende und sehr egozentrische Konkurrenzkampf gemeint, sondern ein gesunder Wettbewerb, der beide Seiten anspornt:
«Hey, wenn der das kann, dann kann ich das auch.»
Und noch besser, wenn der Wettbewerb dazu dient, dem anderen beizubringen, was man kann.
Zwillinge, die gelernt haben, sich gegenseitig anzuspornen und dann merken, wie sie dadurch besser werden, hätten die glücklichste und beste Beziehung zueinander und zu anderen Menschen.
Alex findet, dass diese Forschung in vielerlei Hinsicht sehr logisch und einleuchtend ist. Seiner Meinung nach ist es am besten, Zwillinge von Anfang an als Individuen und nicht als Einheit zu betrachten.
Er fühle mit den Eltern, für die es bei Zwillingen eine zusätzliche Herausforderung sei, ihre Kinder nicht als Gruppe, sondern als Individuen zu sehen. So könnte sich automatisch eine Abgrenzung | Individualisierung entwickeln und beide könnten ein Leben führen, das weniger vom Zwillingsdasein geprägt ist.
Als Vater versteht er die Abkürzungen, die sich die Eltern schaffen, um sich das Leben mit zwei kleinen Kindern und ihren Bedürfnissen zu erleichtern. Man kauft das Gleiche zum Anziehen und zum Essen, weil es einfacher ist. Und viele Eltern wüssten einfach nicht, dass sie ihren Kindern damit langfristig schaden können. Denn ihre Identitätsentwicklung kann dadurch gestört werden und ihr Verhalten sich dadurch verändern.
Dabei liegen die körperlichen und geistigen Unterschiede gerade bei eineiigen Zwillingen oft nur bei 3%. Umso wichtiger ist es, diese Unterschiede wahrzunehmen und zu fördern.
Twin-Tipp: Für liebevollen Wettbewerb von eineiigen Zwilling
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Schritt 1: Suche dir ein Bild aus deiner Kindheit und schau dir genau in die Augen. Du wirst eine Essenz erkennen, die schon immer da war. Erinnere dich, was du als Kind gerne gespielt hast, was dich zum Lachen gebracht hat, was dich mit dem Leben schwingen liess. Hier findest du deine Talente. |
Schritt 2: Erkenne, dass du einzigartig und deshalb wichtig für die Welt bist. Niemand kann dir deinen Platz wegnehmen und besser sein als du. Denn du bist du. |
Schritt 3: Wenn du Konkurrenz in dir wahrnimmst, gehe zurück zu dieser Essenz und schätze das, was du einfach hast. |
Schritt 4: Nimm nun auch wahr, was jemand anderes mitbringt und was du von ihm oder ihr lernen kannst. |
Schritt 5: Sprich darüber, was du Schönes mitgebracht hast und was du bei jemand anderem siehst. |
Schritt 6: Hier ist der Austausch, das Ergänzen, das Win-Win möglich. |
Als Trainer*in integriere ich dieses Prinzip des positiven Wettbewerbs in den Kursen. In einem Workshop zur Projektarbeit mit Kindern konnte ich am eindrücklichsten erleben, wie zwischen zwei Mädchen eine Verbindung und damit eine Win-Win-Situation entstand.
Sie hatten von mir die Aufgabe bekommen, einen Stop-Motion-Film zu drehen. Die eine war so schnell, dass sie innerhalb von 30 Minuten ein kleines Wunderwerk geschaffen hatte. Die Kollegin war von der Leistung und der Geschwindigkeit so beeindruckt, dass sie blockierte. Wettbewerb lag in der Luft. Nach 30 Minuten wollte die Performerin noch ein Video machen. Aber ich bat sie, ihr enormes Talent anzuerkennen, sich zu überlegen, was sie automatisch konnte, und ihrer Freundin zur Seite zu springen. Sie zu motivieren, ihr praktisch beim Basteln zu helfen und auch sie zur Performerin zu machen. Dann mussten sie ihr Video vorführen.
Alles drehte sich, denn jetzt war das andere Mädchen einen Schritt voraus. Sie hatte eine Präsenz, wie sie nur wenige haben. Sie stand ohne Deutschkenntnisse da und präsentierte vor der Klasse mit einer klaren, kräftigen Stimme und viel Charme. Nun stand die Freundin unter Druck, war aufgeregt und wusste nicht weiter. Automatisch sprang das stimmlich begabte Mädchen der Freundin in die Bresche und gab alle Tipps und praktische Hilfe, um die Freundin zu unterstützen.
Als ich beide in ihren Talenten sah und sie sehen liess, dass auch andere sie darin sahen, geschah das Wunder: Sie teilten aus Liebe und wurden durch Win-Win beschenkt.
Unstimmige Glaubensätze bei Zwillinge
Auf meine Aussage, dass ich mir meiner Zwillingsschwester sehr sicher sei und wir uns immer sehr nahe stünden, antwortete mir einmal ein Mann, dass das sehr egozentrisch sei. Ich war überrascht und hörte interessiert zu, was Verbundenheit mit Egozentrik zu tun haben könnte.
«Annika, das ist schwierig für einen Partner, wenn schon jemand Prio 1 hat. Da ist man als Partner eifersüchtig, wenn man nicht Prio 1 hat.»
Ich dachte damals mitfühlend, dass er mir gerade eine Botschaft gegeben hatte, warum mir mit vielen Einlingen etwas passiert war, was mit Liebe wenig zu tun hatte.
Denn für mich gab es nicht Prio 1 oder 2, für mich gab es Liebe. Das ist, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Als würde man die Liebe als Partner*in verlieren, wenn man Kinder hat oder Geschwister oder Eltern. Dabei zeigt es doch nur, ob man schon lieben kann oder ob man noch in der Illusion der Liebe gefangen ist.
Auch ich kenne diese Aussagen von meinen Eltern, von engen Freunden, aus der Schule und sogar von Psychologen, die mir auch eingeredet haben, dass ich nur entweder die Zwillingsbeziehung oder die Partnerschaft mit einem Mann leben kann.
Entweder du bist ein sehr enger Zwilling, ziehst dich für den Rest deines Lebens gleich an und wohnst in einer Doppelhaushälfte oder du hast eine sehr losgelöste Beziehung und eine eigene Familie.
Aber nicht alle Zwillinge haben diese Überzeugung. Ich habe viele Zwillinge kennengelernt und alle haben unterschiedliche Arten von Beziehungen. Es gibt Zwillinge, die selbstverständlich beides leben und deren Partner*innen den Mehrwert spüren, eben nicht nur eine*n Partner*in in seinem Leben zu haben, sondern auch zu erleben, was für eine gute Beziehung seine Frau zu ihrem Zwilling hat. Auch einen Schwager oder eine Schwägerin damit geschenkt zu bekommen.
Der Glaube macht nur Sinn, wenn man glaubt, dass man auf eine Liebespartnerschaft angewiesen ist und jemanden braucht, der die Lücke füllt. Dann will man nämlich von einem Zwilling das haben, was er vorher vielleicht mit einer Zwillingspartner*in gelebt hat. Zwillinge stehen sich zunächst sehr nahe. Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann ist etwas in ihren Grundwerten gestört.
Wahre Liebe ist das Gegenteil von Konkurrenz. Denn Liebe ist eine Frequenz. Eine Frequenz, die nichts mit der Frequenz von Konkurrenz oder Eifersucht zu tun hat. Wahre Liebe ist eine Frequenz, die sich potenziert, wenn sie geteilt wird.
Buche jetzt ein Coaching mit deinem Zwilling oder Partner und lerne dich mit all deinen Talenten gegenseitig zu sehen und in einen bewussten Wettbewerb zu gehen.
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